Feldpost von Hans Hohmeister (M.W.K.307) an Lotte Feisskohl und Herrn Schacherer

Drei Briefe von Hans Hohmeister (leichte Minenwerfer-Abteilung 208, später Minenwerfer-Kompagnie 307 ) an Lotte Feisskohl und Herrn H.Schacherer in Mannheim, 1915-1916

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> Minenwerfergefecht bei Balschweiler 12-13 Februar 1916

Feldpost
Frln. Lotte Feisskohl
Mannheim D.4.18.


Briefstempel
2.Badisches Pionier-Bataillon
1.Res.-Komp.


H.Hohmeister.
7.Landw.Div. Pion.Bat.14.1.Res.Komp.
l.M.W.208
Armeeabt. "Gaede"


Villa Fürchterlich, am 15.Mai 1915

Liebes Fräulein Lotte Feisskohl!
Ihr Paketchen mit den Keks und Preiselbeeren und den anderen "Gutsel" habe ich gestern erhalten.
Besten Dank dafür.
Gestern sah ich zum ersten Mal einen Franzmann in der feindlichen Stellung. Ganze 6 Wochen braucht man also, bis man den Feind, der 500 m von einem entfernt ist, einmal zu Gesicht bekommt. Ist das nicht traurig, wenn man 6 Wochen lang nur Erdhaufen beschiesst, und nicht sieht ob auch etwas dahinter steckt.
Vor Freude über meine Entdeckung hätte ich dem Kerl am liebsten eine Tafel Schokolade an den Kopf geworfen, aber es war doch ein bischen weit und Schokolade ess ich selbst gern. Mit dem Gewehr hät ich ihm ja eins putzen können aber der arme Kerl war ja ganz ahnungslos bei der Arbeit.
Weiss der Kuckuck, ich glaub es ist am gescheitesten ich höre auf mit dem Brief, denn jetzt sitz ich schon eine Stunde davor, ohne ein einzig Wort aufs Papier gebracht zu haben. Vielleicht fällt mir später etwas Gescheites ein oder morgen. Einstweilen bitte ich um Entschuldigung.
Jetzt ist es Abend, und ich weiß immer noch nichts zu erzählen. Morgen aber muss ich zurück zu einer Etappenstation um Telefongerät zu holen. Dann bleibt wieder keine Zeit zum schreiben. drum wird's Beste sein ich schliesse und schreib Ihnen ein ander Mal.
Herzl. grüßt Sie, Herr Schacherer, Ihre Angehörigen und mein Liesel extra.
Ihr Hans Hohmeister
Feldpost
Herrn H.Schacherer
Mannheim C.3.11

H.Hohmeister.
7.Landw.Div.
Pionierbat. 13.
2.Landw.Komp.
l.M.W.208.
Armeeabt. "Gaede"

20 Juni 15

Lieber Herr Schacherer!
Für Ihr Paketchen mit dem Brief besten Dank. Es ist wahr, Theekuchen schmeckt auch zum Kaffe sehr gut. Schade dass ich Ihnen nicht eine Probe von unserem selbstgekochten "Schlecksel" schicken kann, Sie können daraus sehen, dass es uns hier nicht gar so schlecht gehen kann, obwohl die Gegend hier im Gegensatz zu anderen der Ruhe entbehrt.
Weil Sie vielleicht nicht wissen was für ein Gemisch wir "Schlecksel" nennen, will ich ihnen den ganzen Werdegang desselben einmal schildern.
Da wir gegenwärtig immer noch mit dem Bau unserer Stellung (1 Mannschaftsunterstand, 2 Geschützstände und 2 Munitionsunterstände mit den nötigen Laufgräben) beschäftig sind, haben wir sehr wenig freie Zeit, und diese ist dann meist nur bei Tage zu haben. Also müssen wir auch das Rohmaterial unter Tag aus den Gärten von S. holen. Der "Augustel" ist aber ein strenger Flurschütz und man kann ihm seine Schützlinge nur auf dem Bauch kriechend plündern. Ach so Sie wissen ja nicht wer der "Augustel" ist. Das ist der Maschinengewehrschütze eines franz. Masch.G., das sobald sich etwas blicken läst die Strassen die aus dem Städtel führen bestreicht. Das Kriechen macht uns aber keine Beschwerden, denn das hat man schon in genügendem Mass gemacht.
Hat man ein Körbchen vollgepflückt, dann gehts daheim los. Die ganze Gesellschaft, soweit sie nicht in Stellung ist, zapft die Stiehle von den Stachel- und Johannisbeeren und in 1 1/2 Stunden bringt der Koch oder Schmelzer (weil er Alles einschmelzt) die ersten Gläser gefüllt auf dem Tisch. Was dann weiter geschieht will ich aus Edelmut verschweigen, damit Ihnen der Mund nicht umsonst wässerig wird. Interessieren wird es Sie vielleicht noch etwas über die Verbrauchsmenge zu erfahren. Die Fressgemeinschaft in der ich Schmelzer bin zählt 4 Mann. 5 Gläser, von je 2 Liter reichen genau 3 Tage. Dies ist immerhin ein Zeichen von der Güte unserer Waren.
In Ihrem Brief meinen Sie, wir würden es wohl nicht lange in der Stadt aushalten. Unsere Geschütze sind allerdings schon lange in Stellung aber die Mannschaft löst hier täglich ab. (auch die Infanterie) weil die Höhenluft nicht sehr gut ist, da sie sehr stark nach Chlorkalk riecht, mit dem die Ueberreste von den Franzosen die bei einem Sturm im Februar fielen bedeckt sind.
Aber trotz der "guten" Luft und den Millionen von Schmeissmücken gefällt es mir hier garnicht schlecht. Man merkt wenigsten hier, dass Krieg ist und zwar auf französische Kosten. Die Kerl knallen den ganzen Tag; wie ein bissiger Hund geht's denn immerhart, während auf unserer Seite nur ab und zu ein Schuss von unseren Scharfschützen fällt. Sind sie aber einmal Kriegslustig aufgelegt, dann schicken sie auch Minen. Da heisst's aber auch, viel Radau um nichts. Handgranaten mit einer Schleudermaschine geschossen schicken sie uns ab und zu auch herüber. Aber mit denen blamieren sie sich nur, denn die meisten sind Blindgänger. Gerade eben sitzt ein Kamerad neben mir und macht eine auseinander. Das Einzige was also noch übrig bleibt ist die Artillerie. Vor der muss man noch Respekt haben, denn manchmal trifft sie sogar. Vor 3 Tagen bin ich mit unserem Abteilungsführer durch ein grosses Fabriksanwesen, das von uns besetzt ist gegangen, da fängt auf einmal der Franzmann an mit seiner Artillerie um einander zu schiessen dass man sein eigenen Wort kaum noch gehört hat. Ja er hat es sogar so weit getrieben, dass die Ziegelbrocken auf unsere ehrwürdigen Häupter fielen. Ich hatte meinem Feldwebel schon längst angemerkt dass es ihm nicht mehr recht behaglich war, aber anscheinend wollte er nicht zuerst in Deckung gehen, als ihm aber die Steine um den Kopf herumflogen war's ihm doch zu bunt und da wir gleich durch einen soliden Bau tippelten meinte er, er wolle ein wenig ausruhen. Ich hab wohl gemerkt was ihn müde gemacht hat.
Eine Untugend hat der Franzmann aber doch, er schiesst nämlich mit dem Maschinengewehr ins Städtel. Das werden wir ihm aber vertreiben, denn wenn wir zu schiessen anfangen wollen wir einmal wieder sehen, wie ein Maschinengewehrunterstand Flugversuche macht.
Grüssen sie bitte Ihre Frau Mutter, ihre Braut, meine Liesel und die ganze Familie Feisskohl.
Herzliche Grüße Ihnen von Ihrem
Hans Hohmeister
Feldpost
Frln. Lotte Feisskohl
Mannheim
D.4.18

Briefstempel
Württemberg Minenwerfer Kompagnie 307

Absender Gefreiter H.Hohmeister
Armee-Abteilung "Geade"
7.Landwehr Division
Minenwerferkomp. 307


17.Februar 16.

Liebes Fräulein Lotte Feisskohl!
Für Ihr Paketchen herzlichen Dank. Für den beigelegten Brief selbstverständlich auch. Freilich sehr viel schreiben sie mir ja nicht aber ich will Ihnen, großmütig wie ich nun einmal bin ( ) volle Absolution erteilen ( ) eher, da ich selbst kein gutes Gewissen habe, da ich Ihnen auch selten geschrieben habe.
Dass Liesel so lange keine Nachricht von mir bekam, war nicht meine Schuld sondern die des Franzmanns. Denn, hätte der Franzmann keine 2 Werke vorgeschoben angelegt und betoniert, dann hätten wir sie nicht zusammen schiessen brauchen. Es hätte also ein Zeitpunkt (die Angriffszeit) nicht geheim gehalten werden brauchen und die Post wäre dann auch nicht gesperrt worden.
Am Samstag Mittag um 11 Uhr ist es los gegangen. Ich war auf Beobachtung befohlen und kannte somit die ganze Musik fein sehen. Durch das Scherenrohr sah ich jedes Brettstückchen seine unbeholfenen Flugversuch machen. In der 3.Welle aber hörte es auf mit dem Rohr, denn der "August" hatte mir etwas vor das Glas geworfen, das sehr viel Dreck aufwirbelte und ich durchs Glas nichts mehr sah. Gerade will ich auf eine Sandsackmaur klettern, um von dort aus mit dem blossen Auge zu beobachten, da kracht es kurz vor mir. Diesmal ging aber ein solides Eisenhagel nieder. Eine 7,5 er Granate war krepiert. Als ich auf der Sandsackmauer stand, sah ich das Etwas von vorhin 5 m vor mir liegen. Ein Blindgänger war's. Na, wir haben dem Franzmann nichts geschenkt, das muss er auch gemerkt haben, denn von den Vorwerken fiel kein einziger Schuss mehr.
Am 2.Tag war noch toller wie am [12] ersten.
Doch ich will Sie nicht langweilen mit diesen Geschichten.
Grüßen Sie bitte Ihren Bräutigam und Ihre Angehörigen von mir. Ihnen selbst herzliche Grüße.
Ihr Hans Hohmeister

Hans Hohmeister belonged to one of the leichte Minenwerfer (blue squares on the map).

Read more about this trench mortar action in the related article:
Minenwerfergefecht bei Balschweiler 12-13 Februar 1916
(in dutch language)

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